Stiftung Preussischer Kulturbesitz Berlin
(für Genealogen und Ortsgeschichtsforscher)
© 9.2000 Klaus-Dieter Kreplin


Otto Gebhard
Die wichtigsten Quellen für die pommersche Familienforschung im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin - Dahlem
(Pommersche Sippenforschung, Jg.9/1941, S.6-14)
(Teil I; "Fortsetzung folgt"; Kp: mehr nicht erschienen)


Einleitung
II. Hauptabteilung


I. Hauptabteilung
Inhalt:

Die I. Hauptabteilung des Geh. Staatsarchivs bringt unter den ersten 69 Reposituren vorwiegend Akten des ehemaligen Geheimen Staatsrats. Uns interessiert in dieser Reihe besonders die Repositur 30, vereinigt mit 30 B, "Pommersche Land- und Staatssachen" betreffend. Es handelt sich um Akten, die sich mit den Beziehungen des brandenburgisch-preußischen Staates zu unserer Heimatprovinz, aber auch mit verschiedenartigen Vorgängen in Stadt und Land, mit Rechtsfragen, Kriminalfällen, Sittlichkeitsdelikten, Kirchenangelegenheiten u.a.m. befassen, soweit in all diesen Sachen die Entscheidung bei der Zentralbehörde lag. Zwar setzen die Akten zeitlich erst mit dem Erwerb Hinterpommerns im Westfälischen Frieden ein, jedoch reichen die bei einzelnen Sachgebieten aus der Herzogszeit herübergenommenen Vorakten bis 1406, einige sogar bis 1215 zurück. Leider sind die Bestände gerade dieser Repositur nicht neuzeitlich archivalisch durchgearbeitet und übersichtlich gegliedert, der wirkliche Akteninhalt weder durch die stark verallgemeinernde Aktenbezeichnung im Repertorium, noch durch Signierung des einzelnen Aktenbandes restlos erfaßt; auch fehlt häufig die Angabe der Zeitgrenzen oder diese sind nur lückenhaft angedeutet. Nur dem archivalisch Geschulten mag es daher gelingen, sich in den Akten zurechtzufinden. (Im Interesse der pommerschen Geschichtsforschung - nicht nur für die Familienforschung - wäre eine Auswertung dieser Repositur außerordentlich erwünscht.) Die sachlich zusammengehörenden Vorgänge von dem frühesten Beginn der Akten bis 1855 sind unter alphabetisch angeordneten Stichworten zu Konvoluten vereinigt, deren Aktenbestände also einen Längsdurchschnitt durch das fragliche Gebiet geben. Diese Bestände sind Volumenreihen, oft bis zu 40, von denen wiederum jedes, zeitlich abgegrenzt, einzelne Faszikel, den Einzelfall betreffend, enthält.

Prüft man den Inhalt einzelner Aktenbände, dann ist man erstaunt über die Mannigfaltigkeit der Vorgänge, die über Familien und deren Verhältnisse Auskunft geben. Manche Volumen bringen viel mehr, als der Suchende nach dem Rubrum erwartet. So fand ich z.B. in Konvolut 83 lange vergeblich gesuchte Kolonistenlisten, völlig zusammenhangslos mit den sonstigen Materien des betr. Aktenstücks und auch zeitlich unzutreffend eingeordnet. Familiengeschichtlich aufschlußreich sind sämtliche Konvolute 31 bis 414, unmöglich, den Betreff jedes Konvoluts hier anzugeben; nur insgesamt mögen einzelne Inhalte angeführt werden. (Die Zahlen geben die Nummern der Konvolute an, wie sie im Archivrepertorium angegeben sind.)

Rep.:
 
43: Generalia von dem Adel der Provinz.
44: Spezialkaten von 152 adligen Familien
ergänzend bringt dazu
243 a-z Nachrichten über mehr als 200 adlige Güter, alphabetisch geordnet.
46 bis 64, ergänzt durch 240 und 242: Bestallungen und Beförderungen, auch Konduitenlisten mit Personalien von Beamten und Bediensteten, wie Hofgerichsbeamten, Amts- und Konsistorialräten, Schloßhauptleuten, Advokaten, Ärzten, Jagdbedienten, Archivaren, Sekretären, Stallbedienten, Steuer- und Landräten, Renteibeamten, Landmessern, Musikanten, Organisten, Trompetern, Gärtnern, Buchdruckern u.a.m. Wir erhalten hier ein Gesamtbild von der Behördenorganisation und deren Personalien aus der ersten Zeit der Besitznahme Hinterpommerns durch das Kurhaus Brandenburg.
65 bis 80: Begnadigungen (Zuwendungen an Geld oder Übereignung von Grundbesitz).
83: Bauern und Kolonistensachen.
83b, ergänzt durch 165: Designation aller Dörfer und Untertanen in Pommern, auch Kirchenbausachen von 175 Dörfern (1666/67).
150 und 153 a geben durch Überlieferung von Einzelfällen aus jedem Jahr einen Einblick in die sittlichen Zustände der Provinz (Strafsachen, Begnadigungen oder Strafmilderungen, Vergehen verschiedener Art, Anträge auf Ehescheidungen, Gesuche um Genehmigungen von Verwandtenehen und viele Vorgänge anderer Art).
170 a, auch 318 u. a.: Nachrichten - mit vielen Personalien - aus den Zeiten der Anfänge der französisch- reformierten Gemeinden in Städten, besonders in Stettin und Stargard.
185 und folgende: Schulsachen aus der Zeit 1650 bis 1788. Sie geben Auskunft über den Zustand des Schulwesens in Stadt und Land, über Maßnahmen zur Verbesserung der Schulleistungen und zur Hebung des Lehrerstandes; sie berichten über Schulrevisionen und führen dabei neben dem Namen des Pfarrers, der für die betreffende Schule als Inspektor zuständig ist, auch den Namen des "Schulhalters" an, kennzeichnen auch wohl dessen Berufseignung und seine menschliche Art. Interessant ist besonders der Aufschluß, den wir über die Entwicklung einer spezifisch pommerschen Gestalt, des Gnadenschulmeisters, erhalten.
255 bis 258: Von Stiftern (Johannisstift in Stettin) und Klöstern (Kolbatz und Marienfließ).

Endlich bringen viele Konvolute sachliche und personelle Nachrichten (zumeist Bestallungen von Beamten, über Ämter und Kreise, Städte und Dörfer). Das betreffende Aktenstück ist jedesmal unter dem Anfangsbuchstaben der Gesamtreihe eingeordnet

Weitere Bestände bringen, besonders aus der Zeit des großen Königs, Namenslisten verschiedener Art, wie über Vormundschaften, Pensionen, Sträflinge, Begnadigte, Schuldner u.a.
 
379 bis 414:. Spezialakten über die erst 1657 erworbenen Teilgebiete Pommerns

Die Überfülle des Stoffes und die vorhin angeführten Mängel erschwerten dem Suchenden den Durchblick des Inhalts und erst recht das Auffinden von Einzelheiten, worauf es dem Familienforscher gerade ankommt. Erfreulicherweise helfen dabei ganz ausgezeichnet 8 Registraturbände (Reg.-Bände 32-39), die, jeder zeitlich genau abgegrenzt, die Gesamtzeit der Repositur - für die Jahre 1650-1855 erfassen und den Akteninhalt der Konvolute weitgehend, wenn auch nicht erschöpfend (Listen!) erschließen. Besonders die Bände 33-37 verzeichnen alle Eingänge; die beiden letzten - 38 und 39 - sind dagegen schon lückenhaft. Unter feststehenden, im Ablauf der langen Zeit nur wenig abgeänderten Stichworten finden wir in diesen Hilfsbänden Hinweise auf den Betreff der einzelnen Akte und die Angabe in welchem Konvolut sie zu finden ist. Solche Stichworte sind: Lehnsträgersachen ("Feudalia"), Strafsachen ("Fiscalia"), Kirchensachen ("Consistorialia"), des weiteren Monatseingänge, im bunten Durcheinander einzelne Vorgänge registrierend. Einzelne Faszikel, die gerade familiengeschichtlich wertvoll sind, wurden von hier in Reposituren überwiesen, die Akten über Beziehungen des Staates zum Auslande enthalten und hier unter "Privata" deponiert. Es handelt sich dabei oft um Gesuche von Kolonisten an die Staatsbehörde, ihnen bei dem Hereinbringen ihrer im Heimatlande zurückgelassenen Vermögen oder ihnen später zufallenden Erbschaften behilflich zu sein. Auf Grund solcher Anträge war es mir wiederholt möglich, die Herkunftsorte von Zugewanderten zu ermitteln. In Frage kommen hier besonders Rep. 9 und 11. - Vorgänge, die den Gebietsteil Pommerns betreffen, der früher zu der Starostei Draheim gehörte, sind sämtlich, da dieser Landesteil längere Zeit hindurch staatsrechtlich eine Sonderstellung einnahm, in der Repositur 4 unter den Nummern 13 a-f deponiert.

Nach der Vereinigung Vorpommerns bis zur Peene mit Preußen 1720 wurde für Vorgänge aus diesem Gebietsteil eine Repositur 30 B, schon mit der Sequestration 1715 einsetzend, angelegt und die entstehenden Bestände im allgemeinen nach denselben Stichworten wie bei der Stammrepositur 30 bis zum Jahre 1743 eingeordnet; später überwies man einzelne Sachen aus diesen Beständen und Neueingänge sämtlich den entsprechenden Konvoluten der Stammrepositur.

Von den übrigen sogenannten alten Reposituren der I. Hauptabteilung kommen für unsere Belange in Frage:
 
I. Rep. 9,   Allgemeine Verwaltung betreffend. Die Materien sind hier alphabetisch geordnet. Unter ihnen können für den Familienforscher von Bedeutung sein:
    1. Bestallungen (Serien A, B, I, L M und N),
    2. Begnadungen (Serien CC und DD)
    3. Amtssachen (Serie D).
II. Rep. 11,   Beziehungen zu auswärtigen Staaten betreffend, Der Familienforscher findet darin vereinzelt Aufschlüsse über Personen, die im 17. oder 18. Jahrhundert nach Preußen einwanderten, so z.B. unter:
    1. Nr. 91 a und b Archivalien über französische Emigranten aus den Anfängen der Bewegung,
    2. Nr. 105-117 desgl. aus Hessen,
    3. Nr. 127 B desgl. aus dem Isenburgischen und zwar aus der Zeit 1744 bis 1769, in der verhältnismäßig viele Kolonisten aus dieser Grafschaft nach Preußen kamen,
    4. Nr. 155 desgl. aus Kurmainz (1509-1855),
    5. Nr. 233 a: Salzburgische Emigrantensachen (1726-1798),
    6. Nr. 291 desgl. aus dem Bistum Worms (1645-1799), und, allgemein, weitere Herkunftsländer von Zuwanderern betreffend.
III. Rep. 48   enthaltend Archivalien, die die Grenzverhältnisse zwischen der Kurmark und Pommern betreffen (1333-1814). Die dabei genannten Personen, Orte und Sachgebiete werden durch einen Index erfaßt.

Die "neueren" Reposituren 70-170 der I. Hauptabteilung enthalten besonders die Aktenbestände, die durch die 1806/07 neuerrichteten Fachministerien entstanden sind. Sie werden aus den eingangs angeführten Gründen den Familienforscher im allgemeinen weniger stark interessieren. Nur die Repositur 76, das Kultusministerium betreffend, ist auch für unsere Zwecke dadurch wertvoll, daß Vorakten, etwa vom Jahre 1788 ab entstanden, einzelne auch noch früher, hierüber übernommen und in einem besonderen Repertorienband - 76 alt - verzeichnet sind, die pommerschen Akten hier unter Tit. I D. Unter dieser Signatur bringen die Nummern 290-410 sämtliche alten Schulsachen Vor- und Hinterpommerns (1788-1805), im einzelnen:
 
Rep.76    
  Nr. 290: Von den Stadtschulen im allgemeinen,
  Nr. 291-306: Von den persönlichen Verhältnissen der pommerschen Gnadenschulmeister, und damit das Konvolut 185 der Repositur 30 zeitlich ergänzend,
  Nr. 307: Von der Provinzialschulbehörde
  Nr. 308-391: Spezialakten von Schulen in den einzelnen Städten, darunter,
  Nr. 359-384: ausschließlich von Stettiner Schulanstalten
  Nr. 395-402: Stargarder Schulen betreffend, besonders das Kollegium Groeningianum

Aus derselben Aktensammlung kommen für Pommern des weiteren in Betracht: Tit. XX Abt. 1-12, betreffend Kirchen- und Schulsachen, darunter Einzelheiten wie Vokationen, Legate u.a.m.

Von anderen Fachministerien und Spezialbehörden, deren Aktenbestände in Einzelfragen Auskunft geben könnten, mögen noch angeführt werden:
 
Rep. 77: Ministerium des Innern,  
Rep. 83: Oberpräsidium, für Pommern unter Tit. D,
Rep. 84 a: Justizministerium, für Pommern unter I P,
Rep. 87: Ministerium für Landwirtschaft und Domänen,  
Rep. 99: Generalverwaltung der Forsten und Domänen.  
Rep. 146: Generalzivilkommissar für Pommern und die Neumark,  
Rep. 168: Generalordenskommission,  
Rep. 176: Heroldsamt.  

Infolge eines Spezialauftrags entstanden die Akten der Repositur 91 B, betreffend das für die Wehrhaftmachung des Volkes 1813 eingerichtete Militärgouvernement für das Gebiet zwischen Oder und Weichsel. In 28 Sektionen bringt diese Repositur höchst interessante Akten über organisatorische Maßnahmen zur Lösung der gestellten Aufgaben, z.B. in
 
Rep.91 B    
  Sekt. VII 2: Organisation des Landsturms in den einzelnen Kreisen Pommerns,
  Sekt. VIII 2: desgl. Der Bürgerbataillone in den Städten,
  Sekt. XXI 7: Ausführliche Verzeichnisse der Spender "patriotischer Beiträge",
  Sekt.XXVIII: Nachweise der Leistungen einzelner Kreise Pommerns.

Mancher Name rückt hier in eine bezeichnende Beleuchtung.

Rep. 92 verwahrt die Nachlässe bedeutender, verdienter Persönlichkeiten, ist aber für die pommersche Familienforschung weniger aufschlußreich, weil nur einige Sippen in Frage kommen (Herzöge von Croy, von Natzmer, von Borcke, von Massow u.a.).

Wichtiger sind dann wieder einige Reposituren, die bestimmt umgrenzte Sachgebiete erschließen, so Rep. 119, Pfälzerkolonien und Rep. 122, Refugies betreffend. 119 bringt, soweit Pommern in Betracht kommt, nur Einiges über die Kolonie in Kolberg, darunter Listen der Koloniemitglieder; die Sachen über Pfälzerkolonien auf dem platten Lande sind der II. Hauptabteilung (Generaldirektorium) eingeordnet, die der übrigen in Städten dagegen der Rep. 122. Diese Repositur, ergänzt durch Akten der Rep. 9 und besonders 30, enthält lückenlos die Bestände, die aus der Registratur der Behörde hervorgegangen sind, die für die Erledigung der Refugiésangelegenheiten eingerichtet war (1685-1809). Die Zahl der Abkömmlinge von Refugiés ist auch in Pommern höher, als man allgemein annimmt, sind doch darunter Sippen mit echt deutschen Namen oder eingedeutschten Namensformen, die mit den ursprünglichen kaum noch eine Ähnlichkeit haben. (Welcher nicht Eingeweihte vermutet z.B. hinter dem pommerschen Sippennamen Bartrow den Refugiénamen Humbertdroz?) Besonders die zahlreichen Verzeichnisse von Mitgliedern einzelner Kolonien geben dem Familienforscher wertvolle Auskünfte. Nur auf einige, mir als besonders aufschlußreich erscheinende Quellen möge hier kurz hingewiesen werden:
 
Rep. 122      
  Tit. I:.   Bestallungen und zwar für:
    3 a Mitglieder der obersten Behörde des Sonderdepartements,
    3 b I Prediger,
    3 b II Lektoren, Kantoren, Schulmeister und Küster,
    3 c I Hofräte, Direktoren, Inspektoren, Richter, Kommissare,
    3 c II Assessoren und Auskultatoren,
    3 c III Gerichtsdiener,
    4 c I Pensionäre,
    5 b Stipendiaten
  Tit. VI B:    Verzeichnisse von Refugies in den einzelnen Gemeinden (Stettin, Stargard, Kolberg, Stolpe, Rügenwalde, Schlawe, Pasewalk u.a., 1686-1800)

In fast allen weiteren Titeln (bis XXVII) bringen die Akten Einzelheiten, besonders über die Wahrung der Privilegien dieser Neubürger und damit eigenartige familienkundliche Nachrichten.


Bereitgestellt von: Studienstelle Ostdeutsche Genealogie (insbes. Pommern und Pommerellen)
der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund
                  E-mail: arrendator@studienstelleog.de web-site:http://www.studienstelleog.de
                    © Klaus-Dieter Kreplin, zum Nordhang 5, D-58313 Herdecke 2001